Lebensraum Totholz

Es gibt viele verschiedene Arten von Totholz. Nach seiner Lage wird es in liegendes und stehendes Totholz eingeteilt, wobei das stehende Totholz als ökologisch wertvoller angesehen wird. Totholz unterscheidet sich aber auch nach der Art, wie der jeweilige Baum gestorben ist. Ist er an Altersschwäche gestorben oder wurde er von massenhaft auftretenden Insekten getötet? Ist er Pilzen zum Opfer gefallen oder einem Naturereignis wie Überschwemmung, Sturm oder Blitzschlag? Wie alt und wie groß war der Baum zum Zeitpunkt seines Todes? Alle diese Faktoren spielen eine Rolle für die Beschaffenheit des Totholzes.

Bei Biotopbäumen oder auch Habitatbäumen handelt es sich um stehende, absterbende oder in Teilen oder auch bereits ganz abgestorbene alte Bäume. Sie sind von enormer ökologischer Bedeutung, denn sie bieten Lebensräume für eine besonders große Anzahl von Tieren.

In ihren oft zum Teil noch grünen Kronen nisten Krähen, Reiher oder Greifvögel, in ihren Höhlen leben Spechte, Käuze, Fledermäuse, Eichhörnchen oder Baummarder. In ihrem Holz wachsen die Larven von Käfern, Wespen und vielen anderen Insekten heran. Damit haben sie eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt in Wäldern. Die Tier- und Pflanzenwelt braucht einen "unaufgeräumten" Wald mit viel Totholz und vielen Biotopbäumen.

Das von vielen als „unordentlich“ empfundene Totholz steht oft im Widerstreit mit einer intensiven Waldnutzung. Vor allem in Wirtschaftswäldern, in denen hauptsächlich Fichten wachsen, wird das Totholz meist schnell entfernt, damit sich vom abgestorbenen Holz aus nicht noch mehr Borkenkäfer ausbreiten. Hier liegt der Anteil von Totholz bei höchstens drei Prozent der gesamten Holzmasse.

In extensiv genutzten Wäldern hingegen bleibt viel mehr Totholz liegen, weil hier die wirtschaftlichen Zwänge meist nicht so groß sind. In naturnahen Wäldern kann der Anteil des Totholzes an der gesamten Holzmasse bei bis zu 30 Prozent liegen.

Totholz und Biotopbäume haben eine überragende Bedeutung für die Artenvielfalt in den Wäldern. Viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten kommen nur in oder auf Totholz vor. Ein besonders großer Anteil dieser Lebewesen ist vom Aussterben bedroht. Je höher der Anteil des Totholzes in einem Wald ist, umso mehr dieser Tiere, Pflanzen und Pilze gibt es dort. Also ist das Liegenlassen von Totholz in unseren Wäldern ein aktiver Beitrag zum Artenschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Bis ein abgestorbener Baum „verschwunden“ ist, können viele Jahre vergehen. Kurz nach seinem Tod enthält sein Holz noch eine Menge energiereiche, leicht abbaubare organische Verbindungen wie etwa Stärke, Zucker, Vitamine, Eiweiße, Aminosäuren, Wuchsstoffe und Zellulose. Dies ist eine attraktive Nahrungsquelle für viele Insektenlarven. Auf der Suche nach diesen zerstören Spechte und andere Vögel die Borke und ermöglichen damit Pilzen freien Zutritt. Diese durchdringen das Holz mit ihrem Myzel und verwandeln es in eine morsche, mulmige Substanz. Dies kann Jahre dauern, bei Eichen sogar Jahrzehnte. Schließlich wird das zerfallene Holz von Insektenlarven, Asseln, Milben und Bakterien so weit zersetzt, dass der gesamte Baum zu neuem Waldboden wird.

Unzählige Insekten sind untrennbar mit dem Totholz verbunden, weil ihre Larven sich nur in dem vermodernden Holz entwickeln können. Je nach Art des Holzes und Stadium der Verrottung entwickeln sich dort sehr verschiedene Artengemeinschaften. Man schätzt, dass rund 1.350 verschieden Käferarten – das ist ein Viertel aller heimischen Käfer – direkt auf Totholz angewiesen sind. Dasselbe gilt für einen großen Teil der etwa 1.000 heimischen Ameisen-, Wespen- und Bienenarten.

Fledermäuse finden heute immer weniger Unterschlupf, weil viele Gebäude immer besser abgedichtet werden. Sie wären ohne das stehende Totholz „obdachlos“. In den Höhlen des abgestorbenen Holzes verbringen viele Arten von Fledermäusen ihre Tage, zum Beispiel der Große Abendsegler. Aber hier ziehen sie auch ihre Jungen auf und hier überleben sie auch die kalten Wintermonate.

Käuze wie etwa der Steinkauz schätzen ebenfalls die vielen Höhlen im stehenden Totholz. Auch sie finden in ihnen sichere Verstecke und perfekte Nistplätze, in denen sie ihre Eier legen und ausbrüten sowie ihren Nachwuchs aufziehen können.

Igel lieben vor allem liegendes Totholz. Hier finden sie besonders reiche Nahrung, die aus Mäusen, Würmern und Insektenlarven besteht. Außerdem finden sie unter dem liegenden Totholz perfekte Verstecke für die kalten Wintermonate, die sie im Winterschlaf verbringen.

Pilze gehören zu den typischsten Lebewesen auf Totholz. Oft erscheinen sie schon, wenn der Baum noch steht und erst in Teilen abzusterben beginnt. Rund 600 Arten von Großpilzen sind direkt auf absterbendes oder totes Holz angewiesen. Dazu kommen noch unzählige, oft mikroskopisch kleine Pilze, die eine wichtige Rolle bei der Zersetzung des Holzes spielen.

Auch für Flechten, Moose und Farne bietet das Totholz einen perfekten Lebensraum. Sie durchdringen mit ihren Wurzeln das modernde Holz und entziehen ihm lebenswichtige Nährstoffe.

Eine besondere Form der Besiedelung von Totholz stellen die „Kadaverbäume“ dar. Dabei handelt es sich um Sämlinge anderer Bäume, die auf liegendes Totholz fallen und dort keimen. Sie finden auf dem modernden Holz ideale Bedingungen vor und wachsen dort heran. Wenn das Totholz verschwunden ist, stehen diese Bäume oft in schnurgerader Reihe auf typischen „Stelzenwurzeln“.

Der Buntspecht baut Höhlen in stehendem Totholz. Weil das abgestorbene Holz weich ist, fällt ihm das dort besonders leicht. In den Höhlen baut er seine Nester und zieht seine Jungen auf. In dem Totholz findet er aber auch besonders viel Nahrung.

Die Haselmaus lebt ebenfalls in Höhlen, die sie in stehendem Totholz baut. Aber damit ist sie nicht alleine, denn auch andere Säugetiere wie etwa Eichhörnchen oder Baummarder bauen ihre Höhlen in stehend abgestorbenen Baumstämmen.

Die Ringelnatter und viele andere Reptilien überwintern in und unter liegendem Totholz. Hier legen sie auch ihre Eier ab, die sich unter dem Totholz gut geschützt entwickeln können. Auch die Jungtiere finden hier gute Verstecke.

Tipp vom schlauen Fuchs Fido:

Unglaublich, oder? Wusstest du schon, wie viele Lebewesen es in einem abgestorbenen Baumstamm gibt? Halt‘ dich fest: In einem einzigen toten Baumstamm von nur 5 Metern Länge wohnen bis zu 3 Millionen Lebewesen, von großen Tieren wie Baummardern oder Fledermäusen bis hin zu fast unsichtbaren Winzlingen wie etwa Bakterien. Damit hat ein abgestorbener Baumstamm doppelt so viele „Einwohner“ wie die riesige Großstadt München!