Mit zwei Brunnen fing alles an

Die Stadt Königsbrunn verdankt ihre Entstehung der großen Not in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu jener Zeit ist die soziale Situation im Königreich Bayern katastrophal. Die Beteiligung Bayerns unter König Maximilian I. Joseph am verheerenden Frankreichfeldzug Napoleons verschlingt große Ressourcen, es folgen in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Missernten und Hungersnöte. Armut und Not sind vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten unbeschreiblich – viele Kinder wachsen verwahrlost als Waisen in den Straßen auf. Die Krise gipfelt 1816 im „Jahr ohne Sommer“, einer Folge des Ausbruchs des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr zuvor, der auf der ganzen Erde 1816 zu einem „vulkanischen Winter“ führt. Es herrscht das ganze Jahr über Kälte, es kommt zu Überschwemmungen und Unwettern mit Schneefall auch im Sommer. Die Ernte fällt komplett aus, überall muss das Vieh notgeschlachtet werden, weil es kein Futter mehr gibt. Gleichzeitig wächst aber im Königreich Bayern und in den anderen Staaten des Deutschen Bundes die Bevölkerung über die vorhandenen Ansiedlungen, Dörfer und Städte hinaus. Nachgeborene Bauernsöhne, Tagelöhner und Knechte suchen überall nach billigem Ödland, um sich dort ansiedeln und als Landwirte selbständig machen zu können. Eine günstige Möglichkeit, Land zu erwerben, bietet sich auf dem Lechfeld. Hier dient das karge Land den Bauern aus Bobingen, Oberottmarshausen und Haunstetten bei Bedarf als Weideland für ihre Schafherden. In guten Jahren benötigen sie diese aber eigentlich gar nicht.

Rentamtmann Geiger aus Schwabmünchen erkennt die Zeichen der Zeit und erwirbt bereits 1836 für wenig Geld große Grundstücke auf dem Lechfeld. Damals werden die Flächen noch nach der Zeit bemessen, die man für die Bewirtschaftung benötigt, und Geiger kauft fast 140 Tagwerke. Von einem Schreiner aus Diedorf lässt er die ersten drei einfachen Holzhäuser bauen, die er an die ersten Siedler Michael Vogel, Karl Leber und Nikolaus Stadler verkauft. So wird Rentamtmann Geiger schließlich zum eigentlichen „Gründer“ von Königsbrunn. Schon bald lockt der niedrige Grundstückspreis Siedler von überall her auf das Lechfeld – vom Donaumoos, aus dem Donauries, aus der Dachauer und Aichacher Gegend, aber auch aus Baden, Württemberg, Hessen und aus der Pfalz. Ein lebhafter Handel mit Grundstücken setzt ein. Die Bauern freuen sich, dass ihr bisher für eher wertlos gehaltenes Land wenigsten einen kleinen Kaufpreis einbringt. So mancher Handel wird sogar beim sonntäglichen Frühschoppen um den Preis eine Mittagessens und eines Humpens Bier abgeschlossen.

Im Jahr 1841 besteht die als „Unterlechfeld“ bezeichnete Ansiedlung bereits aus 44 Häusern, 1849 sogar schon aus 170 Häusern. Sie zieht sich über sieben Kilometer links und rechts der Straße von Augsburg nach Landsberg hin. 1842 erhält die Siedlung dann ihre Selbstständigkeit, wird zur Gemeinde erhoben und darf sich fortan „Königsbrunn“ nennen. Doch schon wieder stehen schwere Zeiten bevor. Schwere Unwetter und Missernten führen ab 1845 zu einer ganzen Reihe von Hungerjahren. Zudem leidet der Ruf der „Ansiedlung auf dem Lechfeld“ unter zahlreichen zwielichtigen Elementen, die sich hier ansiedeln, sodass sich im Umland allmählich der Name „Lumpenbach“ einbürgert. Denn nicht jeder, der hier Grundbesitz erwirbt, will hier auch leben. Nach den bayerischen Gesetzen ist nämlich Grundbesitz eine Voraussetzung für eine Eheschließung. Viele Knechte, Mägde, Gesellen und nachgeborene Bauernsöhne kaufen hier also nur deshalb billiges Land, um heiraten zu können. Das Amtsgericht Schwabmünchen verbietet nach 1845 sogar den Hausbau, um das Wachstum der Siedlung zu stoppen. Doch die Leute bauen trotzdem – Rentamtmann Geiger hilft den Siedlern tatkräftig und bezahlt die fälligen Strafen aus seiner eigenen Tasche. Und so geht es in den 1850er-Jahren langsam aufwärts mit Königsbrunn.

Die Grundstücke auf dem Lechfeld sind in den 1830er- und 1840er-Jahren nicht ohne Grund so billig. Denn sie sind sehr unfruchtbar, außer als Schafweiden taugen sie eigentlich meist zu nichts. Während auf der weiter in Richtung Bobingen gelegenen Hochterrasse des Lechfeldes die Humusschicht über dem Schotter bis zu einem Meter dick ist, beträgt sie auf der Niederterrasse von Königsbrunn oft nur wenige Zentimeter – wenn überhaupt. Der steinige Boden führt zu dem auch heute noch immer wieder gehörten Bonmot, dass die Königsbrunner „steinreich“ sind.

Wenn die ersten Siedler in Königsbrunn also Landwirte werden wollen, müssen sie die Böden verbessern, damit dort Feldfrüchte wachsen können. Die erste Maßnahme ist die Brandrodung. Der Boden wird aufgebrochen und alles dort Vorhandene verbrannt – vom Wurzelwerk bis zum letzten Grashalm. Eine Zeitlang hilft das, und auf dem ehemaligen Ödland im Lechfeld wachsen Raps, Hafer und Kartoffeln. Doch schon nach einigen Jahren sind die Böden bereits wieder erschöpft. Jetzt zeigt sich die Tatkraft und die Energie der Königsbrunner. Sie verknüpfen das Unangenehme mit dem Nützlichen und beginnen damit, die Augsburger Odelgruben zu leeren – immerhin gibt es in jenen Zeiten noch keine Kanalisation in der ehemaligen Reichsstadt. Jeden Abend rücken die Königsbrunner an und erscheinen mit von Ochsen gezogenen Fasswagen vor dem Roten Tor. Und sie müssen jede Menge Spott über sich ergehen lassen. So heißt es beispielsweise: „Die Nachtkönige kommen!“ oder: „Die Königsbrunner Artillerie rückt an!“ Doch die tapferen Königsbrunner lassen sich nicht beirren, schließlich ist es für sie sogar eine doppelte Gewinnsituation. Sie werden von den reichen Ausburger Bürgern für das Entleeren der Jauchegruben bezahlt und erhalten dadurch praktisch umsonst den Dünger, den sie für die Verbesserung ihrer Felder so dringend benötigen. Und so wird aus dem steinigen Ödland des Lechfelds allmählich brauchbares Ackerland.

An der Straße von Augsburg nach Landsberg gab es zwischen Haunstetten und Klosterlechfeld vor der Gründung von Königsbrunn nur ein einziges Haus, das Wirtshaus „Zum Lechfeldwirt“, das später als „Neuhaus“ bezeichnet wurde. Das Wirtshaus wurde mit fürstbischöflicher Genehmigung bereits 1688 errichtet und beherbergte in jener damals sehr einsamen Gegend Fuhrleute mit Pferden und Wagen, Reisende aller Art und Wallfahrer. Der Lechfeldwirt selbst wurde dabei ein wohlhabender Mann und ließ 1734 die Nepomukkapelle errichten, die heute noch an der Landsberger Straße zu finden ist. Der Lechfeldwirt besaß neben dem Brauerei- und Schankrecht auch noch das Käserei-, Bäckerei- und Metzgereirecht. Im Jahr 1796 wurde das Neuhaus zur Zollstation der Reichsstadt Augsburg.

Die Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August 955 ist eines der bedeutendsten Ereignisse unserer Geschichte. Sie beendete die seit über 50 Jahren andauernden Einfälle der Ungarn in das Ostfrankenreich. Die ungarischen Reiter hatten bereits seit dem Jahr 899 mit ihren Eroberungszügen weite Teile Mitteleuropas geplündert und verheert. Wo genau die Kampfhandlungen des Jahres 955 stattgefunden haben, ist selbst unter Fachleuten immer noch umstritten, aber eines ist klar: Irgendwo vor den Toren der heutigen Stadt Königsbrunn wurde vor weit über 1000 Jahren Geschichte geschrieben. Der ostfränkische König Otto I. konnte durch den Sieg auf dem Lechfeld seine Macht gegen innere und äußere Feinde durchsetzen und wurde nach der Schlacht zum „Pater Patriae“, zum „Vater des Vaterlandes“ ausgerufen. Sieben Jahre später krönte Papst Johannes XII., der bereits als 16-Jähriger zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt worden war, Otto in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Bis heute wird der Liudolfinger als „Otto der Große“ verehrt.

Die Schlacht selbst stand kurzzeitig auf des Messers Schneide, als die Ungarn in einem Hinterhalt am Morgen des 10. August die beteiligten Böhmen und Schwaben in die Flucht schlugen und ihren Tross plünderten. Dann wurden sie ihrerseits von den Franken unter Konrad dem Roten zurückgeschlagen. Bei der Hauptschlacht auf dem Lechfeld erlitt dieser dann einen Pfeilschuss in den Hals und fiel – ebenso wie Dietpald von Dillingen, der Bruder des Augsburger Bischofs Ulrich. Möglicherweise wurde der Schlachtverlauf stark vom Wetter beeinflusst. Nach einigen Quellen könnte ein starkes Gewitter die gefürchteten Bögen der Ungarn beeinträchtigt haben, sodass die stärkste Waffe der schnellen Reiter stumpf wurde. Jedenfalls wurden die Ungarn geschlagen und konnten nicht mehr über die durch vorangegangene heftige Regenfälle stark angeschwollenen Flüsse Lech und Wertach fliehen. In den sich den ganzen Tag hinziehenden Gemetzeln vor der befestigten Stadt Augsburg und in den umliegenden Dörfern wurde die ungarische Streitmacht schließlich völlig aufgerieben. In der Folge wurden die Ungarn zu einem friedlichen, sesshaften Volk.

An Orten wie dieser natürlichen Wasserstelle auf dem Lechfeld (Bild) entstanden die ersten Brunnen. Die Lechheide wurde von Bauern aus dem Umland in schlechten Zeiten als Schafweiden genutzt. Und auch die Brunnen dienten zunächst Hirten und ihren Schafherden, aber auch den Reisenden auf der Straße von Augsburg nach Landsberg als Tränken.

Schon 1837 siedelten sich rund um die Brunnen die ersten Menschen an, die „Ansiedlung auf dem Lechfeld“ entstand. Die Bauern aus dem Umland verkauften den Siedlern zu günstigen Preisen vor allem ihre schlechtesten Grundstücke auf dem Lechfeld, und Interessenten gab es genug.

Tipp vom schlauen Fuchs Fido:

Wusstest du schon? Hast du eine Idee, woher der Name „Königsbrunn“ kommt? Vielleicht hast du ja auch schon von den beiden Brunnen gehört, die hier gegraben wurden, als noch gar keine Menschen dort lebten, wo heute Königsbrunn ist. Diese Brunnen waren sehr wichtig, damit sich hier Menschen ansiedeln konnten. Und weil diese Brunnen im Auftrag des bayerischen Königs Ludwigs I. gebaut wurden, nannte man die Siedlung, die sich um die Brunnen herum ausbreitete, „Königsbrunn“.